Don Bosco Istanbul zieht Zwischenbilanz zur Corona-Krise
Istanbul - Mit der durch Corona ausgelösten Pandemie und der damit verbundenen Einschränkung des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens in der Türkei hat sich auch die Arbeit der Salesianer Don Boscos in Istanbul wesentlich verändert. Zwei Monate nach den ersten einschneidenden Maßnahmen ist es nun Zeit, eine vorläufige Bilanz zu ziehen. „Unsere Arbeit für die Jugendlichen in unseren Projekten hat sich stark verändert, in einem gewissen Sinn auf manche Bereiche fokussiert und natürlich auch stark digitalisiert!“, fasst P. Jacky Doyen, Direktor der Niederlassung Istanbul, die Veränderung zusammen. Betroffen und herausgefordert sind alle Bereiche der Arbeit von Don Bosco Istanbul.
An der türkischen Evrim-Schule in Trägerschaft der Salesianer Don Boscos musste der Unterricht auf digitale Klassenräume verlegt werden. Lehrer und Schüler gingen mit großer Motivation an die Arbeit. Polin Ökke, Schulleiterin der Evrim-Schule zeigt sich begeistert: „Unsere Lehrerinnen und Lehrer arbeiten noch mehr und intensiver als es vor der Corona-Krise schon der Fall war. Sie finden immer wieder neue Wege, diesen Schwung auch digital an die Schüler zu vermitteln. Jetzt müssen wir uns darauf vorbereiten, wieder zu einem Unterricht vor Ort zurückzufinden.“ In den nächsten Wochen werden deshalb die Klassenräume umgestaltet, die Schüler erhalten Einzelbänke und das ausführliche Hygienekonzept wird nochmals um wichtige Eckpunkte erweitert.
Unterricht über Messanger-Dienste
Ähnliche Änderungen erfuhr auch der Unterricht für Kinder aus Flüchtlingsfamilien am Don Bosco Learning Center. Trotz weitaus kleinerer digitaler Grundausstattung gelang es P. Joseph Govindu, dem frisch ernannten Leiter des Lern-Zentrums, eine Grundbeschulung über digitale Medien einzurichten. 90 der eingeschrieben Kinder und Jugendlichen werden nun über Messanger-Dienste täglich beschult. Die Motivation ist auch hier hoch und die Lehrkräfte haben alle Hände voll zu tun, um die eingesandten Hausaufgaben und Arbeitsblätter zu korrigieren, beziehungsweise neue Lehrvideos aufzunehmen. Zusätzlich dazu besteht ein enger telefonischer Kontakt zu vielen Eltern. „Wir sind im guten Austausch mit den Eltern und bekommen sehr dankbare Rückmeldungen zu diesem Angebot. Ich bin froh, dass die Lehrerinnen sich so schnell in diese neue Art der Lehre eingefunden haben und es selbstständig entsprechend weiterentwickeln“, freut sich P. Govindu. In ähnlicher Form werden auch die Kurse für afrikanische Flüchtlinge zum Erlernen der türkischen Sprache fortgesetzt.
Stark betroffen von den Auswirkungen der Beschränkungen des öffentlichen Lebens sind die Treffen der jugendlichen Flüchtlinge im Youth Center und die hilfesuchenden afrikanischen Flüchtlinge. Hier ist ein direkter Kontakt seit zwei Monaten kaum möglich. Gleichzeitig nimmt Woche für Woche die Not dieser Personengruppen stark zu. Zuerst wurden die Krankenversicherungen eingeschränkt, danach verlor der allermeiste Teil ihren Lohnerwerb, schließlich wurden aufgrund der Inflation Mieten und Lebensmittelpreise erhöht. Dadurch ergibt sich für viele der Familien eine die Existenz bedrohende Situation. Aufgrund der Unterstützung durch die Missionsprokuren Bonn und Beromüster und mit der Hilfe von zahlreichen Spendern und einigen Großspendern konnte für diese Bedarfe ein erster Notfallfonds ins Leben gerufen werden.
Wöchentlich werden 70 Familien mit Lebensmittelpaketen versorgt
Gleichzeitig gelang es mit Hilfe des Generalkonsulates der Bundesrepublik Deutschland in Istanbul einen kleineren Fonds für Menschen im Umfeld der von Don Bosco Istanbul betreuten deutschen Personalpfarrei St. Paul zu begründen. Die zuerst angedachte Zahl an hilfesuchenden Menschen ist inzwischen schon weit überschritten, wöchentlich werden etwa 70 Familien mit Lebensmittelpaketen versorgt und erhalten Unterstützung für offene Mieten oder Rechnungen. Insgesamt erfahren etwa 380 Personen in der Woche direkte und indirekte Unterstützung durch den Notfallfonds. Ziel ist die Verminderung von sozialer Härte, besonders die Abwendung von Isolation und existentieller Not.
Zu dieser materiellen Hilfe wird jedem Hilfesuchenden auch das persönliche, seelsorgliche Gespräch meist in der Muttersprache angeboten, was in den allermeisten Fällen auch intensiv genutzt wird. „Wir sind allen unseren Unterstützern sehr dankbar für diese wertvolle Hilfe und hoffen, dass eine Öffnung der Beschränkungen es bald erlauben wird, die Hilfen wieder herunterzufahren“, hofft P. Doyen und betont: „Die meisten Hilfen sind bedingt durch die Corona-Krise notwendig geworden. Wir bieten diese intensive Unterstützung an, damit und bis die Menschen wieder selbstständiger für sich sorgen können.“ Wie sehr die Hilfe vor Ort dennoch gebraucht wird, zeigt die nachdenklich machende Aussage von Emir, einem 35-jährigem arbeitslosen Familienvater mit drei Kindern: „Wenn es diese Hilfe der Patres nicht gäbe, ich wüsste nicht, wie meine Familie überleben soll!“
Text und Fotos: P. Simon Härting