Interview Matthias Marienfeld

Veröffentlicht am: 18. April 2023

„Schön, dass Du da bist.“ Junge Leute ins Leben einladen

Schön, dass Du da bist, so lautet die einladende Botschaft am Eingang des Don-Bosco-Club in Köln-Mülheim, einem Quartier in dem viele sozial benachteiligte Menschen aus 97 Nationen leben. Der Club ist nunmehr seit 50 Jahren ein Stück Heimat für viele Kinder und Jugendliche. Mehr als 25 Jahre zähle ich zum pädagogischen Team. Dieses stellt sich, unterstützt von etlichen Ehrenamtlichen, einem Pater und einem Bruder der Salesianer, mit Freude Tag für Tag den spannenden Herausforderungen. Bei uns erhalten junge Menschen eine intensive Betreuung im Geiste Don Boscos, und in ihrer Freizeit wertvollen Erfahrungs-, Begegnungs-, Spiel- und Experimentierraum. Daneben bietet der Club regelmäßige Mittagsmahlzeiten. Denn leider gibt es heute immer mehr Kinder und Jugendliche, für die das nicht mehr selbstverständlich ist. Haben Kinder in der Schule Schwierigkeiten, so löst unsere Hausaufgabenhilfe viele Probleme mit einer individuellen Förderung. Zahlreiche Familien in Köln-Mülheim - insbesondere solche mit Migrationshintergrund - sind nicht in der Lage, ihre Kinder entsprechend zu fördern. Im Sommer stehen die schon zur Tradition gewordenen Ferienfreizeiten auf dem Programm (Ostsee, Bayrischer Wald, Spreewald...). Für viele ist es der erste Urlaub in ihrem Leben überhaupt.

Unser großes 1800 qm umfassendes Gebäude mit riesiger Freifläche (3500 qm) wird als Sozialraum-Immobilie im Viertel genutzt. Es bietet über drei Etagen Platz für verschiedenste Aktivitäten: Folkloretanz für junge Bulgaren oder Beratung von Menschen aus Rumänien und Bulgarien. Seit mehr als zwei Jahren ist das 24/7-Projekt WORK4YOU in die erste Etage eingezogen. Das bundesweite Pilotprojekt kümmert sich rund um die Uhr um junge Menschen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren. Diese Jugendlichen, die auf dem Standstreifen unserer Gesellschaft ausgebremst wurden, ziehen sich zurück, haben kaum Selbstwertgefühle. Sie werden durch die bisherigen sozialen Unterstützungsleistungen unserer Gesellschaft nur schwer oder gar nicht erreicht und leben außerhalb der Erwerbs-, Bildungs- und Sozialsysteme. In der Startphase erhielten wir wertvolle Anregungen von den Kollegen der Manege in Berlin, die als Paten dieses Pilotprojekt zusammen mit der Politik ins Leben gerufen haben. Ein weiteres Pilotprojekt läuft bei Don Bosco Nürnberg.
Mit unserem Team aus Sozialpädagogen, Erziehern, Anleitern und einem Psychologen laden wir die jungen Menschen ins Leben ein, versuchen ihnen im Sinne Don Boscos Mut zu machen, sich ihrer Fähigkeiten bewusst zu werden und ihnen ein Selbstwertgefühl zu ermöglichen.

Oft kommen die jungen Menschen mit einem Bündel von Problemen zu uns. Wir gehen individuell auf sie ein und versuchen ein Problem noch dem anderen zu lösen.
Die große Wohnungsnot hier in Köln trifft die jungen Menschen besonders hart. Zur Stabilisierung dieser Jugendlichen hat unser Projekt wenige Schlafplätze eingerichtet. Erst wenn der Lebensunterhalt gesichert, die Wohnungssituation geklärt, die Schulden reguliert und eventuell eine Therapie begonnen wurde, dann ist der Kopf frei für die Umsetzung von Zukunftsperspektiven. Dazu zählen nachzuholende Schulbildung, Praktika oder eine Berufsausbildung. Im W4Y-Projekt können sich die Teilnehmer in verschiedenen praktischen Angeboten ausprobieren und gewöhnen sich nebenbei an einen geregelten Tagesablauf. 

Unsere Erfahrung zeigt, dass eine Stabilisierung von Jugendlichen nur langfristig erfolgen kann. Daher hoffen wir, dass wir auch nach dem Ende des dritten Projektjahres weiter für die jungen Menschen da sein dürfen, die unsere Hilfe so dringend benötigen. Denn schon Don Bosco hatte zu seiner Zeit erkannt: „Diese jungen Menschen sind Edelsteine, die auf der Straße liegen. Sie müssen nur aufgehoben werden, und schon leuchten sie.“

 

Portrait Matthias Marienfeld

Matthias Marienfeld
Alter: 59 Jahre
Wohnort: Bergisch Gladbach bei Köln
Zur Person: Matthias Marienfeld war von 1981 bis 1990 Salesianer Don Boscos. Nach der Ausbildung zum Landschaftsgärtner und Landwirt und der Mitarbeit im Berliner Don Bosco Heim ging er zu den Salesianern Don Boscos . Nach dem Studium in Benediktbeuern übernahm er die Leitung des Don-Bosco-Clubs Köln von Pater Ferdinand Lohbusch 1986. Das Jugendwohnheim „Casa Italia“ in Köln leitete er vier Jahre. Seit 1994 ist er wieder Leiter des Don-Bosco-Clubs Köln.